Frauen zwischen Freude und Stress: ungleiche Arbeitsteilung in der Weihnachtszeit
Na dann, fröhliche Weihnachten!
Weihnachten ist die Zeit des Jahres, in der wir nicht nur feiern, sondern auch gnadenlos veraltete Geschlechterrollen zementieren. Ein Beitrag von Martina Müllender | martina-macht-das.de
Eine Studie aus dem Jahr 1990 belegt: Weihnachten bedeutet für Frauen mehr Stress als Freude. Frauen fühlen sich gezwungen, die gesamte Organisation des Festes zu übernehmen. Sie sind die Weihnachtselfen, die sich um alles kümmern müssen. Frauen tragen den Großteil der Festtagsarbeit: Geschenke kaufen, Essen planen, Lebensmittel schleppen, kochen, die Familie zusammenhalten und dabei immer hübsch lächeln.
Sind das alte Geschichten? Längst überholt? Weit gefehlt! Drei Jahrzehnte später hat sich kaum etwas geändert. Die Weihnachtszeit ist immer noch eine Zeit, in der Frauen mehr arbeiten, mehr Geschenke besorgen und mehr organisieren, während die Männer deutlich weniger beitragen.
In einer 2017 von Dawn O. Braithwaite an der University of Nebraska-Lincoln durchgeführten Studie über Familienpflege waren 91 Prozent der sich selbst identifizierenden Familienpflegerinnen Frauen. Braithwaite schreibt: „Frauen, die während der Feiertage ohnehin schon überlastet sind, da so viele dieser Aktivitäten auf einmal zusammenfallen, fühlen sich als Familienpflegerinnen noch stärker überfordert.“
Weihnachten – das Fest der Liebe? Eher das Fest der ungleichen Arbeitsteilung.
Der Druck der Verwandtschaftspflege, also das Aufrechterhalten sozialer Bindungen, ist in Familien mit Kindern besonders hoch. Paare ohne Kinder scheinen Hausarbeit und Verwandtschaftspflege gerechter zu verteilen. Alleinstehende Frauen investieren mehr Zeit in die Planung von Partys und die Dekoration ihres Zuhauses als alleinstehende Männer. Dasselbe gilt für die Hausarbeit.
Michelle Janning, eine Soziologin und Professorin am Whitman College, untersucht, wie zeitgenössische Familien sich durch häusliche Objekte – Fotodarstellungen, Dekorationen usw. – und Räume definieren. Sie bezeichnet diese Darstellungen als “die Übernahme und Verwaltung der Familiengeschichte”, wofür, wie sie bemerkt, sich Frauen verantwortlich fühlen. Forschungen bestätigen dies.
Stephanie Coontz, Forschungsdirektorin und Bildungsbeauftragte der gemeinnützigen Organisation Council on Contemporary Families, erklärt, dass es nicht nur die Ehe ist, die Frauen dazu bringt, diese Aufgaben zu übernehmen. Frauen werden bereits in jungen Jahren dazu sozialisiert. Mädchen bekommen mehr Aufgaben im Haushalt und erhalten ein geringeres Taschengeld als Jungen.
Janning stimmt zu und meint, dass auch das Dekorieren des eigenen Raumes etwas ist, wozu Frauen eher Druck verspüren und worüber sie sich Sorgen machen – und es dann trotzdem tun. Die Darstellung des eigenen Zuhauses als schöner Ort bleibt bei heterosexuellen Paaren eine Priorität für Frauen. Bei gleichgeschlechtlichen Paaren scheint die Verteilung der Hausarbeit im Allgemeinen ausgeglichener zu sein.
Die Tradition der Familientreffen während der Feiertage ist relativ neu.
Im 17. und frühen 18. Jahrhundert war Weihnachten eher eine Zeit zum Feiern mit den Nachbarn als ein Familienanlass, so Stephanie Coontz, Expertin für Familiensoziologie. Die Rollen der Männer in der Gesellschaft erforderten zwischenmenschliche Verbindungen, was bedeutete, dass sie gesellschaftliche Zusammenkünfte organisierten.
“Im 19. Jahrhundert gab es eine viel bürokratischere Welt, politisch und wirtschaftlich”, sagt Coontz. Persönliche und politisch-wirtschaftliche Bindungen trennten sich – Männer kümmerten sich um politische und wirtschaftliche Bindungen für den Lebensunterhalt, während Frauen die zwischenmenschlichen Beziehungen übernahmen, um die Verwandtschaft und soziale Netzwerke mit Nachbarn und Freunden aufrechtzuerhalten.
Im Zeitalter von Instagram gewinnt die Präsentation unserer Häuser und Familien zunehmend an Bedeutung.
Während der Feiertage teilen wir mehr Bilder, die sich auf diese Darstellung von uns selbst und unseren Familien konzentrieren. “Wenn man hinzufügt, dass die Feiertage für viele Menschen eine emotional schwierige Zeit sind, ergibt es für mich durchaus Sinn zu glauben, dass die emotionalen Schwierigkeiten dieser Jahreszeit noch zugenommen haben”, sagt Michelle Janning. “Und wenn es Gruppen mit unterschiedlichem Stressniveau gibt, ist es für Frauen erhöht.”
Wir haben es in der Hand, etwas zu verändern!
So ungleich die Ausgangslage auch ist, sollten wir Frauen nicht einfach als Opfer dieser Umstände betrachten. Tatsächlich berichten viele Frauen, dass sie Freude an den Feiertagsaktivitäten haben. Aber: “Es ist echte emotionale Arbeit und das Vergnügen geht mit viel mehr Stress einher, als die Männer empfinden”, meint Stephanie Coontz.
Heute sagen immer mehr Frauen ihren Partnern: “Ich möchte, dass du die Arbeit mit mir teilst”, sagt Coontz. Dadurch übernehmen verheiratete Männer eine viel größere Verantwortung zum Beispiel beim Einkaufen.
Doch selbst wenn Frauen berichten, dass sie Freude an der Feiertagsarbeit haben, gibt es Gründe, dies in Frage zu stellen. Auch ich höre nicht selten, dass Frauen meinen, dass ihre männlichen Partner diese Arbeit einfach nicht so gut erledigen können wie sie – dass sie sie zum Teil selbst erledigen, weil es mehr Stress verursachen würde, die Aufgaben abzugeben.
Dazu meint Stephanie Coontz betont: “Wir werden viel besser dran sein, wenn wir anfangen können, Männern zu vertrauen, dass sie diese Dinge tun. Genau wie wir Kindern erlauben, den Tisch falsch zu decken, damit sie es lernen. Wir müssen loslassen.
„Wenn Ihr männlicher Partner auf diese Weise von seiner Mutter und durch hundert Jahre Sozialisation infantilisiert wurde, dann lassen Sie ihn es einmal vermasseln“, sagt sie. „Wissen Sie, er wird es lernen.“ Sie fügt hinzu, dass „wir Frauen manchmal sogar von den verschiedenen Methoden, die Männer verwenden, lernen könnten, wenn sie mehr Erfahrung bei der Ausführung dieser Aufgaben sammeln.“
Judith Shulevitz, eine amerikanische Journalistin, betrachtet das Problem umfassend. Sie argumentiert: “Frauen sollten für ihre Arbeit bezahlt werden. Es ist genauso gültig und wichtig und in mancher Hinsicht sogar wichtiger als das, was die Leute auf dem Markt tun.” Die unbezahlte Arbeit, meist von Frauen geleistet, schafft Werte, die nicht in unserem Bruttoinlandsprodukt berücksichtigt werden – und das muss korrigiert werden. Carlson fügt hinzu, dass es für Paare in den USA oft schwierig ist, eine faire Arbeitsteilung zu erreichen, da es kaum oder nur minimale strukturelle oder kulturelle Unterstützung dafür gibt.
Die Weihnachtsarbeit ist deutlicher sichtbar als die ganzjährige Arbeit der Frauen. Aber “es ist der Alltag”, sagt Shulevitz, “der nicht wahrgenommen wird.”
Ein zentraler Faktor für die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen ist, dass unbezahlte Hausarbeit, Pflege und Fürsorge – sogenannte Care-Arbeit – weltweit zu drei Vierteln von Frauen geleistet werden. Frauen und Mädchen arbeiten jeden Tag mindestens 12 Milliarden Stunden unbezahlt. Wenn man für diese Arbeit den Mindestlohn ansetzt, entspricht das 11 Billionen US-Dollar im Jahr – 24 Mal mehr als der Umsatz der Tech-Riesen Apple, Google und Facebook im Jahr 2018 zusammen. (Oxfam)
Martina Müllender, 10.12.2023
Quellen:
https://www.jstor.org/stable/2626799
https://www.jstor.org/stable/3600047
https://daily.jstor.org/the-gendering-of-holiday-labor